The times, they are a'changin'
Wenn man langsam alt wird, die Neugierde auf Neues einer Angst vor Neuem weicht und man sich überdies noch einen leicht dumpfen Anti-Amerikanismus pflegt, kann es schonmal passieren, dass man solche Sachen schreibt.
Dabei möchte ich gar nicht für Twitter in die Bresche springen, das Thema haben wir zur Genüge durch. Ich möchte auch nicht auf das Problem der mangelnden Sensibilität bezüglich Datenschutz im Web2.0 eingehen. Vielmehr wundert es mich, dass da von "Verkrüppelung der Sprache" gesprochen wird, wo ich eher eine Weiterentwicklung sehe. In Zeiten von Web2.0 und Instant Messaging schreiben Millionen Menschen im Internet, die dieselbe Zeit 20 Jahre früher noch fürs Fernsehen oder 8-Bit-Konsolengedaddele genutzt hätten.
Stattdessen sind sie mehr oder minder kreativ, auf jeden Fall produktiv. Und wie das so ist, hat jeder seine persönlichen Talente. Manche können gut Fußball spielen, andere gut zeichnen, und ein Bruchteil der Millionen Menschen, die sich im Netz schreiberisch betätigen, können das auch. Der Rest holpert mehr oder weniger schön nebenher. Verbieten möchte ich das nicht, und ein Problem sehe ich darin auch nicht.
Außerdem passt sich die Sprache dem jeweiligen Medium an. Das ist kein Verfall oder eine Verkrüppelung, sondern Evolution. Das mag teilweise befremdlich wirken, auch für mich, muss aber deswegen noch lange nichts schlechtes sein. Denn wenn ich aufhöre offen für neue Entwicklungen aus welchem Bereich auch immer zu sein, kann ich mich auch gleich in meinen Ohrensessel setzen, die Lodendecke über die Beine ziehen, mir meine Pfeife bringen lassen, davon schwärmen wie gut die Welt früher noch war/wie schlecht die Welt heute ist, und gemütlich auf den Tod warten.
6 Kommentare zu "The times, they are a'changin'"
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Klaus
Finde ich auch eigenartig, eigentlich ist es ne ganz schöne Leistung, wichtige Dinge in 360 Zeichen unterzubringen. Auch wenn ich gelegentlich Schwierigkeiten habe und Wortbedeutungen oder Abkürzungen googlen muss =)Trotzdem bleibt es ein Glück, dass Menschen wie Herschel existieren und uns an schöne Wörter wie "Magengrimmen" erinnern. Und der Kampf fürs Genitiv kann ja nichtsdestotrotz weitergehen =)
Rick
Naja, das Craplog versteht sich ja als Moserhort der schlechten Laune. Wenn die Leute mal groß sind, dann werden sie vermutlich Kritiker in einer nicht besonders oft gelesenen Zeitung. Vermutlich wären sie Emos geworden, hätten sie weniger Aggressionen in sich. Im Internet hat jeder das freie Recht sich so zu blamieren wie er/sie kann. Ob mit 160 Zeichen, oder ganzen Blogs...
elcario
Herr Rubinstein,
ein schöner Beitrag! Vor allem der Schluss gefällt mir sehr. Tolle Metapher! Ich hatte gleich die letzten Folgen der Harald Schmidt Show (Sat1) in Gedanken, wie Harry mit Führermütze und Wolldecke hustend auf den "Tod" wartet. Tolle Metapher!
jksimpson
Interessant an dem Artikel ist auch, dass er wieder diese Mittelschichts-Arroganz ("sollen doch bei Burger King oder McDonalds arbeiten...") durch die Gegend bläst. Verdammt, ich kenne Lehrerinnen, die haben bei McDonald's gearbeitet. Auch nicht schlimmer als andere Scheißjobs...
Herschel Rubinstein
@elcario: danke, ich erröte
@jksimpson: japp, der beitrag geht gar nicht klar. wird aber scheinbar von einem blog als lesebefehl gehandelt...